Wer Menschen unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht oder ihrer Geschlechtsidentität meinen und adressieren will, kann auf verschiedene sprachliche Mittel zurückgreifen. Es handelt sich um Möglichkeiten, die der deutschen Sprache bereits innewohnen. Wir können Aussagen umformulieren – etwa indem wir Menschen direkt ansprechen, Relativsätze unpersönlich formulieren (siehe den ersten Satz in diesem Beitrag) oder Zusammensetzungen entflechten und die Teilnehmerliste zur Liste der Teilnehmenden machen. Ebenso können wir auf ein beachtliches Repertoire genderneutraler Personenbezeichnungen zurückgreifen: Personen, Beschäftigte, Team, Anwesende, alle sind nur wenige Beispiele.

Um gendergerecht zu schreiben und zu sprechen, müssen wir also nichts Neues erfinden. Und mit etwas sprachlichem Bewusstsein geht gendergerechte Sprache auch ganz leicht. In einem früheren Beitrag habe ich die verschiedenen Möglichkeiten, die uns die deutsche Sprache diesbezüglich bietet, zusammengestellt und veranschaulicht.

Immer mehr ist uns jedoch daran gelegen, die Vielfalt der Geschlechter sprachlich explizit sichtbar zu machen. Hier kommen die Gender-Zeichen ins Spiel, die Menschen jedweden Geschlechts, ja, ein Zeichen setzen. Sie sind überdies ein probates Mittel, um auf knappem Raum zu gendern.

Funktionieren alle Gender-Zeichen gleich? Und worauf kommt es an, wenn wir Gender-Zeichen verwenden? Ich habe die gängigsten Zeichen, ihre Voraussetzungen und Auswirkungen zusammengefasst.


Inhaltsübersicht:
Binnen-I
Schrägstrich
Gender-Gap
Gender-Stern
Gender-Doppelpunkt
Weitere Gender-Zeichen
Singular als Herausforderung
Grammatische Ruckler im Plural
Wohin mit dem Gender-Zeichen?


Binnen-I (TexterIn)

Das Binnen-I kam in den 1980er Jahren auf und hat bereits etwas Patina angesetzt. Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ist es nicht überall akzeptiert, neben «weiblich» und «männlich» auch die Dimension «divers» auszudrücken. Wer das Binnen-I verwendet, stellt sich jedenfalls (auch) in die Tradition der Frauengleichstellung. Das lassen vor allem Personenbezeichnungen mit Binnen-I anklingen, die ausgesprochen werden. Sie werden so nämlich zu generischen Feminina.

Schrägstrich (Texter/in)

Der Schrägstrich ist eine sanfte Weiterentwicklung der amtlich korrekten Doppelnennung von Frauen und Männern. Als Sparform wird Texterinnen und Texter zu Texter/-innen. Ohne Ergänzungsstrich wird diese unorthografisch; das Zeichen lässt sich damit neu besetzen und mit «divers» markieren. Weil der Gender-Schrägstrich aber von der Doppelnennung abstammt, zudem typografisch bedingt oftmals auf den Ergänzungsstrich verzichtet wird bei Doppelformen, ist der Schrägstrich kein idealtypisches Gender-Zeichen.

Gender-Gap (Texter_in)

Der Gender-Gap entstand in den 2000er Jahren. Etabliert hat er sich insbesondere in wissenschaftlichen Kontexten. Der Gap, die Lücke, wird mit einem Unterstrich dargestellt, der Raum für die Vielfalt der Geschlechter schafft. Bewusst sperrig ist der Gender-Gap ausserdem ein typografischer Störer und damit auch ein politisches Fanal.

Die politische Ausrichtung spiegelt sich auch in der Benennung des Gender-Zeichens als Gender-Gap wider. Diese schliesst kämpferisch an die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Dysbalance – zum Beispiel den Gender-Pay-Gap – zwischen Männern und Frauen an.

Die Lücke ist allerdings nicht unproblematisch. Negativ gewendet degradiert sie non-binäre Menschen zu einer Leerstelle und verdeutlicht, dass nahezu alle weiblichen Personenbezeichnungen von der männlichen Form abstammen, ja abweichen. Nicht zuletzt ist der Gender-Gap nicht barrierefrei. Sehbeeinträchtigte Menschen lassen sich Online-Texte mit sogenannten Screenreadern vorlesen. Diese lesen den Unterstrich zumeist mit – was so klingt: Texter Unterstrich Innen. Der Sprechfluss wird unerwartet unterbrochen, die Verständlichkeit der maschinell vorgelesenen Texte erschwert.

Die Meinungen gehen hier jedoch auseinander: Genauso wie Sehende beim Lesen über den Gender-Gap stolpern, sollen sehbeeinträchtigte Menschen beim Hören darüber stolpern. Das sorgt so verstanden nicht nur für Gleichbehandlung zwischen Sehenden und Sehbeeinträchtigten, sondern auch dafür, dass die beabsichtigte Wirkung beide Gruppen gleichermassen erreicht.

Gender-Stern (Texter*in)

Der Gender-Stern ist wohl das bekannteste Gender-Zeichen. Google spuckt über 36 Millionen Treffer aus beim Suchbegriff Gender-Stern. Zum Vergleich: Bei Gender-Doppelpunkt sind es knapp 30’000. Damit wird klar, dass der Gender-Stern Sinnbild für eine gendergerechte Sprache bzw. das Gendern geworden ist. Entsprechend politisiert (und polemisiert) ist das typografische Sternchen – Leuchtturm für die einen, rotes Tuch für die anderen.

Sprachlich funktioniert der Gender-Stern gleich wie der Gender-Gap, wenn auch im Schriftbild etwas weniger ausladend. Barrierefrei ist zudem auch der Gender-Stern nicht. Texter*innen wird maschinell vorgelesen in der Regel zu Texter Stern Innen.

Trotz seiner Verbreitung hat es der Gender-Stern bis heute nicht in das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung geschafft. Der Rat für deutsche Rechtschreibung bestätigte im März 2021 seine ablehnende Haltung gegenüber dem Gender-Stern wie auch gegenüber allen anderen Gender-Zeichen.

Gender-Doppelpunkt (Texter:in)

Der Gender-Doppelpunkt verbreitet sich seit 2018 von Deutschland her im gesamten deutschsprachigen Raum. Die zunehmende Sichtbarkeit des Doppelpunkts als Gender-Zeichen hat verschiedene Gründe:

  • Der Doppelpunkt ist ein etabliertes grammatisches Zeichen.
  • Als Gender-Zeichen ist er politisch (noch) unverbraucht.
  • Im Unterschied zu Gender-Gap und Gender-Stern wirkt der Doppelpunkt typographisch elegant – und damit weniger provokant. (Wer just das Sperrige und Proklamatorische des Gender-Gaps mag, ist mit dem filigranen Doppelpunkt dafür weniger glücklich.)
  • Der Doppelpunkt ist auf der Tastatur gut gelegen und Teil unserer Schreibroutine.
  • Der Gender-Doppelpunkt ist barrierefrei: Screenreader machen anstelle des Doppelpunkts eine kurze Pause – analog zur natürlichen gendergerechten Aussprache von Personenbezeichnungen. Wie das geht, lässt sich bei genderleicht.de nachlesen und -hören.

Ganz problemfrei ist aber auch der Doppelpunkt nicht. Gerade weil er so etabliert ist in unserer Grammatik, dabei üblicherweise in Satzzusammenhängen und nicht innerhalb von Wörtern vorkommt, kann er als Gender-Zeichen missverstanden werden. Ein Doppelpunkt in einem syntaktischen Kontext signalisiert, dass das Nachfolgende wichtig ist. Mitten in einem Wort kann ein Doppelpunkt mithin irritieren – insbesondere auch Menschen mit Leseschwächen oder solche, die frisch Deutsch lernen.

Weitere Gender-Zeichen

Neben den oben beschriebenen Gender-Zeichen gibt es weitere Zeichen, die Personenbezeichnungen mit «divers» markieren können:

  • Mediopunkt (Texter∙in): Elegant wie der Gender-Doppelpunkt, jedoch wenig praktikabel, da auf der Computertastatur nicht hinterlegt; wird bereits in der Leichten Sprache verwendet, um lange Wörter aufzusplitten und besser lesbar zu machen, kann hier missverstanden werden.
  • Punkt (Texter.in): Elegant, etabliert und barrierefrei wie der Gender-Doppelpunkt – mit den gleichen Herausforderungen.
  • Ausrufezeichen (Texter!in): Markiger Vorschlag der feministischen Linguistin Luise F. Pusch; etabliertes Satzzeichen mit den gleichen Herausforderungen wie Doppelpunkt und Punkt; nicht barrierefrei.
  • Pluszeichen (Texter+in): Politisch-sperrig wie der Unterstrich, keine Lücke aber, sondern ein Plus; nicht barrierefrei.

Die Übersicht ist nicht abschliessend: Gender-Zeichen entstehen – zumindest bisher – in einer pluralistischen Gesellschaft mit vielen Communities und Sprechgemeinschaften aus ebendiesen heraus. Ausserhalb der öffentlichen und auch sprach- und sozialwissenschaftlichen Wahrnehmung dürften also weitere Gender-Zeichen existieren.

Die Bottom-up-Dynamik der bisherigen Gender-Zeichen widerlegt indes die Kritik an einer «amtlich verordneten» gendergerechten Sprache. Gendergerechte Sprache ist gerade nicht in den «Amtsstuben» entstanden, sondern aus dem direkten oder indirekten Bedürfnis verschiedener Sprachgemeinschaften nach mehr sprachlicher Sichtbarkeit und Gerechtigkeit. Wenn Behörden, Parteien oder Bildungsinstitutionen gendergerechte Sprache oder Gender-Zeichen vorgeben oder empfehlen, reagieren sie auf Bedürfnisse von Teilen der Gesellschaft und – insbesondere bei Gender-Zeichen – auf organisch entstandene Schreib- und Sprechweisen.

Singular als Herausforderung

Gender-Zeichen funktionieren im Singular grammatisch und kommunikativ nicht gleich einwandfrei wie im Plural. Das hat damit zu tun, dass Artikel, Possessivpronomen und Adjektive im Singular nicht durchgängig genderneutral sind:

  • Lehrer und Lehrerinnen vs. ein Lehrer, eine Lehrerin
  • die Lehrer und Lehrerinnen vs. der Lehrer, die Lehrerin
  • die Lehrer und Lehrerinnen und ihre Klassen vs. der Lehrer, die Lehrerin und seine/ihre Klasse
  • alte Lehrer und Lehrerinnen vs. ein alter Lehrer, eine alte Lehrerin
  • die Bücher der Lehrer und Lehrerinnen vs. die Bücher des Lehrers, der Lehrerin (hier zusätzlich herausfordernd: die unterschiedliche maskuline und feminine Endung)

Wer ungrammatische Wortgruppen und eine erschwerte Lesbarkeit nicht scheut, setzt das gewählte Gender-Zeichen im Singular wie folgt ein:

  • ein:e Schüler:in
  • der:die Schüler:in
  • der:die Schüler:in und seine:ihre Eltern
  • ein:e kluge:r Schüler:in (ungrammatisch: ein kluge Schüler; sofern das Wortmaterial vor und hinter dem Gender-Zeichen je aufeinander bezogen werden)
  • die Bücher des:der Schüler:in (ungrammatisch: des Schüler)

Wer keine grammatischen Konflikte provozieren und auch die Verständlichkeit nicht behindern möchte, bleibt im Plural – was bei allgemein gültigen Texten oder Aussagen zumeist problemlos möglich ist – oder weicht auf andere Formen der gendergerechten Sprache aus.

Für den Fall, dass sich eine bestimmte Person weder als männlich noch als weiblich identifiziert und so angesprochen werden möchte, ist die Verwendung eines Gender-Zeichens auch im Singular diskussionslos. Noch besser ist es, sofern möglich direkt mit der betreffenden Person zu klären, wie sie adressiert und bezeichnet werden möchte.

Grammatische Ruckler im Plural

Im Plural gibt es bisweilen ebenfalls grammatische Unstimmigkeiten. So bei Substantiven mit unterschiedlichen maskulinen und femininen Endungen (Kollegen, Kolleginnen), solchen mit Umlautmarkern (Bauern, Bäuerinnen) und Substantiven im Dativ Plural (den Lehrern, den Lehrerinnen):

  • die Kolleg:innen (ungrammatisch: die Kolleg)
  • die Bäuer:innen (ungrammatisch: die Bäuer)
  • von den Lehrer:innen (ungrammatisch: den Lehrer)

Wer es grammatisch genau nimmt, formuliert entsprechende Pluralformen gendergerecht um oder platziert das gewählte Gender-Zeichen zwischen den grammatisch korrekt ausgeschriebenen Pluralen. Das braucht zwar etwas mehr Wortmaterial, ist ansonsten aber eine patente Lösung:

  • die Kollegen:Kolleginnen
  • die Bauern:Bäuerinnen
  • von den Lehrern:Lehrerinnen

Wohin mit dem Gender-Zeichen?

Weitaus am gängigsten ist es, Gender-Zeichen jeweils vor die weibliche Wortendung bzw. im Wortinneren zu setzen (Sportler:in). Ab und an sehen wir Gender-Zeichen jedoch auch vor oder nach einer Personenbezeichnung stehen – insbesondere im Fall des Gender-Sterns (*Leser, Leserinnen*).

Gerade weil die meisten Gender-Zeichen weitere Funktionen und Bedeutungen haben – etwa der Doppelpunkt als Satzzeichen oder das Sternchen als vielfältiges typografisches Zeichen – empfiehlt es sich, Gender-Zeichen ins Wortinnere einzupflegen und damit den genderbezogenen Verwendungszweck bestmöglich auszuschildern.

Auch mündlich funktionieren Gender-Zeichen am besten im Wortinneren: Vor der weiblichen Endung können wir eine kurze, «divers» signalisierende Sprechpause machen. Befindet sich das Gender-Zeichen vor oder nach einer Personenbezeichnung, verflüchtigt sich der gewünschte Effekt. Immerhin: Gewisse Sprecher:innen zeichnen in solchen Fällen bereits den Gender-Stern in die Luft und substituieren so die ausbleibende Gender-Pause. Sprache lebt. Es lebe die Sprache!