Gendergerecht zu schreiben und zu sprechen, ist keine Hexerei. Es gibt griffige Möglichkeiten, alle Menschen sprachlich gleichwertig abzubilden – unabhängig von biologischen Geschlechtern oder Geschlechtsidentitäten. Unsere Sprache ist genug reich und beweglich, um Männer, Frauen und Menschen, die sich diesen beiden Geschlechtern nicht (eindeutig) zuordnen lassen oder zuordnen wollen, gleich zu meinen und zu zeigen. Eine grammatische Revolution ist dazu nicht nötig.

Ganz ohne sprachliche Konzessionen geht es dennoch nicht. Gewisse gendergerechte Umformulierungen verschlechtern die Lesefreundlichkeit und erschweren damit die Verständlichkeit – insbesondere Passivkonstruktionen, unpersönliche Bezeichnungen (z.B. Team, Lehrkörper, Personal) und das Entflechten von Zusammensetzungen, das mehr Wortmaterial erzeugt (Liste der Teilnehmenden vs. Teilnehmerliste). Direkte Ansprachen, die ebenfalls zum Repertoire der gendergerechten Umformulierungen gehören, sorgen dafür für mehr sprachliche Nähe.

Angesichts des höheren Ziels, eine gegenüber allen Menschen gerechte Sprache zu pflegen, sollten wir jedoch zu Zugeständnissen bereit sein. Das sieht auch die Linguistin Luise F. Pusch so: «Wo es um elementare Menschenrechte geht, ist die Sprachökonomie zweitrangig.»

Welche Möglichkeiten gibt es nun konkret, gendergerecht zu schreiben und zu sprechen? Nachfolgend sind die wichtigsten Handgriffe dafür zusammengestellt.

Konkrete Bezeichnungen

Immer dann, wenn das Geschlecht einer Person oder einer Gruppe von Personen bekannt ist, können wir es konkret benennen.

KonkretStatt
Als Ehrengast war Rosa Muster, Professorin für Informatik, eingeladen.Als Ehrengast war Professor Muster eingeladen.
Das Unternehmen befragte alle neueingetretenen Frauen. Die Mitarbeiterinnen gaben an, dass …Das Unternehmen befragte alle neueingetretenen Frauen. Die Mitarbeiter gaben an, dass …
Die Lehrer im Kloster Einsiedeln waren früher ausschliesslich Mönche.Die Lehrpersonen im Kloster Einsiedeln waren früher ausschliesslich Mönche.

Umformulierungen

Umformulierungen und ein kreativer Umgang mit Sprache ermöglichen zumeist einfache gendergerechte Formulierungen. Die wesentlichen Möglichkeiten sind nachfolgend zusammengestellt.

Direkte Ansprachen

UmformuliertStatt
Bitte beachten Sie folgende Bibliotheksregeln.Der Benutzer bzw. die Benutzerin hat folgende Bibliotheksregeln zu beachten.
Sie sind teamfähig und erfahren …  Wir suchen eine/n teamfähige/n und erfahrene/n Mitarbeiter/in …
Die Gemeinde lädt Sie zum Sommerfest.Die Gemeinde lädt alle Einwohner und Einwohnerinnen zum Sommerfest.

Unpersönliche Relativsätze

UmformuliertStatt
Wer die erforderliche Anzahl Kurse besucht hat, bekommt ein Zertifikat.Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die die erforderliche Anzahl Kurse besucht haben, bekommen ein Zertifikat.

Handlungen statt Personen

UmformuliertStatt
Die Teilnahme am Kongress berechtigt zu Gratiseintritten in allen städtischen Museen.Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Kongresses sind berechtigt, alle städtischen Museen gratis zu besuchen.

Adjektive statt Substantive

UmformuliertStatt
Zahnärztliche Behandlungen sind in der Regel nicht versichert.Behandlungen beim Zahnarzt sind in der Regel nicht versichert.

Passivkonstruktionen

UmformuliertStatt
Die Kinderzulagen werden mit dem Lohn ausbezahlt.Der Angestellte erhält die Kinderzulagen mit dem Lohn.
In der Cafeteria kann täglich aus drei Menüs ausgewählt werden.Man kann in der Cafeteria täglich aus drei Menüs auswählen.
Herausgegeben von: Hanna MusterHerausgeber: Hanna Muster

Zusammensetzungen entflechten

UmformuliertStatt
Vertretung der MitarbeitendenMitarbeitervertretung
Liste der TeilnehmendenTeilnehmerliste
Kosten für die RechtsvertretungAnwaltskosten

Genderneutrale Personenbezeichnungen

Genderneutrale Personenbezeichnungen umfassen alle Geschlechter, sind korrekt und kurz. Sie sind deshalb zu Recht ein probates Mittel, um sich gendergerecht auszudrücken.

  • Dozierende
  • Beschäftigte
  • Team
  • Anwesende
  • Teilnehmende
  • Person (statt jemand, niemand, keiner, keine)
  • Alle (statt jedermann, jeder, jede, man)

Beachten Sie jedoch, dass genderneutrale Personenbezeichnungen im Singular zumeist wieder geschlechtsspezifisch werden:

  • der/die Dozierende
  • der/die Beschäftigte
  • der/die Anwesende

«Unsinnige» Präsenspartizipien

Oft wird bei partizipialen Personenbezeichnungen (Studierende, Dozierende, Absolvierende) moniert, sie seien unsinnig. Unter den Kritisierenden (sic!) kursiert denn auch folgender Witz: «Und wann schlafen sie, die Studierenden?»

Hier können Sie sich entspannt zurücklehnen und auf die Sprache vertrauen. Wörter wie Student, Dozent, Absolvent – die die Kritisierenden gegen die «unsinnigen» Präsenspartizipien verteidigen – stammen aus dem Lateinischen und sind nichts anderes als selbst Präsenspartizipien. Aus dem lateinischen Infinitiv studere wird das lateinische Präsenspartizip studens, aus dem sodann der deutsche Student wurde. Analog dazu: docere – docens – Dozent und absolvere – absolvens – Absolvent.

Natürlich trifft dies nur auf Substantive lateinischer Herkunft zu. Mitarbeitende, Teilnehmende und Lernende sind rein deutsche Präsenspartizipien. Und dennoch: Ohne grosses Aufheben wird in der deutschen Sprache teils seit Jahrhunderten auf zahlreiche, ehemals lateinische Präsenspartizipien gesetzt. Student etwa ist im Deutschen seit dem 13. Jahrhundert belegt. Zu all den Präsidenten, Konkurrenten und Delinquenten können sich also getrost noch ein paar Beisitzende, Dienstleistende und Radfahrende gesellen.

Rundum gerechte Sprache

In einem früheren Artikel habe ich skizziert, wie eine rundum gerechte Sprache aussähe – ganz ohne Umformulierungen und unpersönliche Bezeichnungen. Nötig wären dazu Substantivendungen für Maskulina und Neutra und damit ein neues System für personalisierte Personenbezeichnungen. Entwickelt hatte dieses gerechte Deutsch in den 1990er Jahren der inzwischen verstorbene Sprachforscher Matthias Behlert. Luise F. Pusch spinnte den Ansatz weiter.

Auch rund ein Vierteljahrhundert später zeichnet sich kein derartiger Sprachwandel ab. Behlerts und Puschs Vorschläge bleiben vorerst Sprachutopien. Wer sich mit Sprache beschäftigt, weiss jedoch um deren Wandelbarkeit. Liebe Freundinne, Freundisse und Freundille einer gerechten Sprache – unsere Zeit wird kommen!