Kommas bei Infinitiven: Die wichtigsten Regeln – und ein einfacher Grundsatz
«Ich setze Kommas immer nach Gefühl.» Diesen Satz habe ich schon oft gehört, und so falsch ist er gar nicht. Mitunter markieren oder betonen Kommas Sprechpausen und korrespondieren somit durchaus mit unserer sprachlichen Intuition. Nicht immer können oder wollen wir uns aber allein auf unser Sprachgefühl verlassen, weder bei der Kommasetzung noch bei anderen grammatischen Phänomenen.
Ich habe deshalb für alle, die Kommas bei Infinitiven nicht nur nach, sondern mit Gefühl setzen wollen, die wichtigsten Regeln zum Thema festgehalten. (In einem früheren Beitrag habe ich bereits das Wichtigste zu Kommas bei Teilsätzen aufgeschrieben.) Die Kommasetzung bei Infinitiven lässt sich am besten anhand von drei Regelszenarien strukturieren: optionales Komma, obligatorisches Komma, ohne Komma.
Optionales Komma
Obligatorisches Komma
Ohne Komma
Optionales Komma
Eine gute Nachricht gleich zu Beginn: Sie sind bei Infinitivgruppen grundsätzlich frei, ein Komma zu setzen. Die deutsche Rechtschreibung ermöglicht diesen liberalen Umgang deswegen, weil «die Konstruktionsweisen bei Infinitivgruppen/Infinitiven unterschiedlich gut zu erkennen sind» (Duden). Da scheint es besser, uns gar nicht erst in die Pflicht zu nehmen. Interessant – und entlastend.
Konkret heisst das, dass bei Infinitivgruppen ein Komma gesetzt werden kann, um die Gliederung eines Satzes zu verdeutlichen oder um Missverständnissen vorzubeugen. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Infinitivgruppe nachgestellt ist oder vorausgeht. Bei einer eingeschobenen Infinitivgruppe müssen Sie indes konsequent vor und nach der Wortgruppe ein Komma setzen – oder eben nicht:
- Sie sträubte sich[,] zu lernen.
- Sie sträubte sich[,] für die Prüfung zu lernen.
- Zu essen[,] ist eine Notwendigkeit.
- Gut zu essen[,] ist wunderbar.
- Wir raten[,] ihm zuzuhören.
- Wir raten ihm[,] zuzuhören.
- Sie versuchte[,] den Zug zu erwischen[,] und sprintete deshalb die letzten Meter. (Nicht: Sie versuchte, den Zug zu erwischen und sprintete deshalb die letzten Meter.)
Obligatorisches Komma
Keine Wahl haben wir, wenn Konjunktionen im Spiel sind oder wenn eine Infinitivgruppe von einem Substantiv oder einem hinweisenden Wort abhängt. Infinitivgruppen werden demgemäss stets mit einem Komma abgetrennt, wenn sie mit den Konjunktionen als, anstatt, statt, ausser, ohne, um eingeleitet werden:
- Ich möchte nichts anderes, als ein paar Tage frei zu haben.
- Du solltest dich etwas bewegen, anstatt nur rumzusitzen.
- Statt pausenlos zu reden, könntet ihr auch einmal zuhören.
- Er konnte nichts tun, ausser seine Strafe zu akzeptieren.
- Sie kündigte ihre Arbeit, ohne einen neuen Job zu haben.
- Er ging in den Supermarkt, um für das Abendessen einzukaufen.
Hängt eine Infinitivgruppe von einem Substantiv ab, ist das Setzen eines Kommas ebenfalls obligatorisch. Bei einer eingeschobenen Infinitivgruppe wird sowohl vor als auch nach der Wortgruppe ein Komma gesetzt.
- Er machte den Vorschlag, nach dem Konzert noch etwas trinken zu gehen.
- Sie war in der Lage, zehn Kilometer unter 40 Minuten zu laufen.
- Mein Rat, das Haus zu verkaufen, kam nicht gut an.
Und schliesslich ist ein Komma immer dann zwingend, wenn eine Infinitivgruppe von einem hinweisenden Wort angekündigt oder aufgegriffen wird:
- Er hatte sich arrangiert damit, seine Kinder nur noch am Wochenende zu sehen.
- Seine Kinder nur noch am Wochenende zu sehen, damit hatte er sich arrangiert.
- Mein Ziel ist es, die Prüfung beim ersten Mal zu bestehen.
- Es ist mir wichtig, die Prüfung beim ersten Mal zu bestehen.
- Zu lesen, das machte ihr Spass.
Für diejenigen, die sich für die Finessen interessieren: Wenn auf ein hinweisendes Substantiv oder ein anderes Hinweiswort ein einfacher Infinitiv nur mit zu folgt, kann auf das Komma verzichtet werden. Beispielsweise hier:
- Dein Plan[,] zu kündigen[,] ist unklug. (Aber nicht: Dein Plan zu kündigen, ist unklug.)
- Ich freue mich darauf[,] zu verreisen.
Ohne Komma
Bei Infinitiven, die Teil eines Prädikats respektive eines verbalen Satzteils sind, lautet die Ansage: kein Komma. Das klingt etwas kompliziert, die Regel bzw. die beiden Fälle, in denen auf Kommas verzichtet werden muss, lassen sich bei genauerer Betrachtung jedoch gut nachvollziehen.
Erster Fall: Kein Komma, wenn ein Infinitiv von den Verben sein, haben, brauchen, pflegen oder scheinen oder aber von drohen oder versprechen abhängt (bei drohen und versprechen nur dann, wenn deren Bedeutung übertragen gemeint ist):
- Die Musik ist nur leise zu hören.
- Du hast zu gehorchen!
- Wir brauchen uns deswegen nicht zu streiten.
- Sie pflegt Tee statt Kaffee zu trinken.
- Er scheint abgenommen zu haben.
- Das Haus drohte einzustürzen. (Aber: Die Mutter drohte[,] das Taschengeld zu kürzen.)
- Das Fussballspiel verspricht spannend zu werden. (Aber: Die Lehrerin verspricht[,] über das Wochenende keine Hausaufgaben zu erteilen.)
Zweiter Fall: Kein Komma, sobald ein Infinitiv in irgendeiner Art mit dem übergeordneten Satz verwoben ist. Beispiele:
- Deine Gedanken wollen wir zu verstehen versuchen. (Aber: Wir wollen versuchen[,] deine Gedanken zu verstehen.)
- Die Bestellung bitten wir an unseren Hauptsitz zu liefern. (Aber: Wir bitten[,] die Bestellung an unseren Hauptsitz zu liefern.)
- Wir hatten die Wohnung zu verkaufen beschlossen. (Aber: Wir hatten beschlossen[,] die Wohnung zu verkaufen.)
Einfacher Grundsatz und Rat
Die obigen drei Regelszenarien zeigen, dass wir eigentlich nur wissen müssen, wann Kommas obligatorisch sind. In allen anderen Fällen müssen oder können wir auf Kommas verzichten. Und wenn Sie wieder einmal auf Ihr Sprachgefühl zurückgeworfen sind – setzen Sie im Zweifel lieber ein Komma zu wenig als eines zu viel.