Seit fast 150 Jahren produziert die Zuger Distillerie Etter Fruchtbrände. Ihre Insignien: Qualität und Tradition. Davon zeugen langjährige Kundenbeziehungen, eine gelebte Familiengeschichte und Etters Bekenntnis zu Zug und der Schweiz. Auch die vierte Generation führt das Unternehmen passioniert, persönlich und – bei aller Tradition – modern. Connaisseurs in Singapur, Hongkong, Bogota und Calgary kredenzen mittlerweile den Zuger Edelbrand.

Es riecht nach leicht Vergorenem. Pflaume? Kirsch? Oder doch Birne? Der süsslich-fruchtige Odeur begleitet einen bis zum Showroom der Etter-Distillerie. Wild-Kirsch, Alte Birne, Pomme Royale und Barrique-Quitte reihen sich liebevoll drapiert aneinander. Dazu gibt’s diverse Formate: Standardflaschen, Minis, elegante Schwarze und edle Liebhaber-Flaschen – Letztere mundgeblasen. Daneben glänzen die Digestif-Gläser und funkeln die Geschenk-Sets. Schnell wird klar: Qualität ist bei Etter oberstes Gebot. Und Tradition.

Vom «Chriesiwasser» zum Edelbrand
Der erste Kirsch wurde bei Etter 1823 gebrannt – damals noch auf dem «Berglihof» in Menzingen, einer Berggemeinde im Kanton Zug. Das Kirschwasser hatte dannzumal eine sehr praktische Funktion: Die Bauern therapierten damit entzündete Kuheuter – und nebenbei die eine oder andere seelische Not. 1870 professionalisierte Paul Etter die Schnapsbrennerei und gründete eine gewerbliche Distillerie im Zentrum der Stadt Zug. Mehr als hundert Jahre später bezog die Firma – nun unter der Leitung von Enkel Hans Etter – einen Neubau an der Zuger Stadtgrenze. Die Ansprüche an die Grösse, den Betrieb und an die Hygiene machten diesen Schritt nötig.

Etter ging dabei geschickt vor und antizipierte die Entwicklung des Unternehmens. Die Kapazität des Standorts ist nach wie vor grösser als benötigt, die nicht beanspruchte Büro- und Produktionsfläche wird derzeit untervermietet. Längst ist aus dem Bauernhof, wo «Chriesiwasser» nebenher gebrannt wurde, ein professionelles KMU geworden. Dennoch ist sich Etter treu geblieben und setzt auch heute noch auf Herkunft, Qualität und Natur. Gabriel Galliker-Etter, Schwiegersohn von Hans und Christine Etter und seit 2012 Geschäftsführer, bringt es auf den Punkt: «Wir überlassen nichts dem Zufall – und trotzdem produzieren wir ein Naturprodukt.»

Heute beschäftigt das Unternehmen 20 Mitarbeiter und exportiert in über 20 Länder – unter anderem in die USA, nach China, Singapur und in die Vereinigten Arabischen Emirate. 35 Prozent der Produktion verkauft Etter im Ausland. Mit Abstand der lukrativste ausländische Markt ist Europa. «Ausserhalb von Europa sind Fruchtbrände noch wenig bekannt», erklärt Galliker-Etter. Dass das Unternehmen vor allem ins nahe Ausland exportiert, hat aber nicht nur mit dem hohen Bekanntheitsgrad von Fruchtbränden in Europa zu tun. Die Einfuhr von Spirituosen im fernen Ausland ist zum Teil kostspielig und aufwändig. «Wollten wir nach Australien exportieren, so müssten wir für unsere Produkte sogar eine Luxussteuer bezahlen.»

Anders sieht es bei der Einfuhr von Etter-Fruchtbränden in die EU aus: Dank der bilateralen Verträge und dem Wegfall nicht-tarifärer Handelshemmnisse für Wein und Spirituosen ist der Export in die EU unkompliziert. Das zahlt sich aus: 15 Generalimporteure hat Etter in Europa. Diese vertreiben die Fruchtbrände von Dänemark bis Spanien. Auf Qualität achtet Etter indes auch bei der Wahl der Vertriebspartner und Händler. Und so stehen die Etter-Brände in den Regalen von Julius Meinl in Wien oder Dallmayr in München und fliegen mit Swiss und Lufthansa um die ganze Welt. Zu Swiss hat Etter übrigens eine wortwörtlich segensreiche Beziehung: Letztes Jahr taufte die Airline eine A340-Maschine auf den Namen «Zug» – mit Etter-Kirsch.

Hundert Prozent Schweiz
Trotz aller Erfolgsgeschichten: Etter hebt nicht ab. «Wir wollen stetig und gesund wachsen», schildert Galliker-Etter die Unternehmensziele, «und in erster Linie unsere Marke und unser Gütesiegel bekannt machen.» Schnelle Gewinne sind nicht Etters Sache. Zu verwurzelt, zu qualitätsgetrieben, zu sehr Familienbetrieb ist das Unternehmen. «Allein der begrenzte Rohstoff in unserer Branche verunmöglicht kurzfristige Wachstumssprünge.» Auch die natürlichen Schwankungen der Rohprodukte – nicht jede Ernte fällt punkto Menge und Qualität gleich aus – verlangen eine umsichtige und vorausschauende Unternehmensführung. Umso mehr, als Etter nur Schweizer Früchte verarbeitet. «In unseren Fruchtbränden ist zu hundert Prozent Schweiz drin.» Das Unternehmen bezieht die Früchte zudem direkt beim Obstbauer. Dies sichert die Qualität und ermöglicht faire Preise. Auch produziert wird ausschliesslich in der Schweiz bzw. in Zug. Jeder Etter-Brand ist ergo mit dem Label «Suisse Garantie» ausgezeichnet.

In der Brennstube ist es angenehm warm, in der Luft liegt erneut vergorene Frucht. Die kupfernen Brennblasen laufen auf Hochtouren, die Maische in den Kesseln brodelt. Aus den verschlungenen Rohren rinnt dünnstrahlig glasklare Pflaume. «Der Nachlauf», sagt Galliker-Etter, «probieren Sie.» Der Brand schmeckt gut, ein leichter Alkoholgeschmack mischt sich bei. Der Nachlauf ist allerdings bloss ein Nebenprodukt beim Herstellen von Bränden. Insbesondere bei Edeldestillaten ist der Mittellauf entscheidend. Er enthält die besten Geschmacksstoffe. Während der Vorlauf ungeniessbar ist, kann der Nachlauf erneut gebrannt werden. Das Separieren von Vor-, Mittel-, und Nachlauf verlangt viel Erfahrung und eine feine Nase. «Wer glaubt, ein Brennmeister müsse permanent kosten, der irrt; beim Destillieren läuft vieles über den Geruch», erläutert Galliker-Etter.

Persönlicher Stil
Der Besuch in der Brennerei zeigt, wie aufwändig das Destillieren ist. Eine 7-dl-Flasche enthält 7 bis 15 Kilogramm Frucht – zudem viel Know-how und Handarbeit (gewisse Etter-Flaschen sind handverschlossen und -versiegelt). Nicht zu vergessen der Rohstoff von Fruchtbränden, der verglichen mit Wodka oder Whisky teuer ist. Dazu kommt die Alkoholsteuer von 8.50 Franken pro 7-dl-Flasche. Trotzdem, beklagen will sich Galliker-Etter nicht. Im Gegenteil. Die Begeisterung für Fruchtbrände ist spürbar bei ihm.

Diese Passion überträgt sich auf die gesamte Firma. Der Ton ist freundschaftlich, die Zufriedenheit im Betrieb hoch. Der Geschäftsführer legt auch im Umgang mit seinen Mitarbeitern Wert auf Qualität und Konstanz. Der Austausch untereinander und das Verständnis füreinander sind ihm wichtig. Job-Rotationen fördern die Zusammenarbeit. Auch er selbst ist sich nicht zu schade, kiloweise Früchte einzumaischen, wenn Not am Mann ist. «Wir sind ein kleiner Betrieb, hier muss jeder anpacken.»

Persönlich ist bei Etter auch die Pflege der Kunden. Aus vielen Kundenkontakten sind langjährige Beziehungen geworden. Man merkt dies auch während des Besuchs bei Gabriel Galliker-Etter. Die Kunden verweilen, der Geschäftsführer nimmt sich Zeit für einen kurzen Schwatz. Apropos Kunden: Sind Alkohol und Gesundheit bei Etter eigentlich ein Thema? «Auf jeden Fall», meint Galliker-Etter. «Unser Credo ist Qualität und Genuss – damit propagieren wir einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol.» Im Übrigen schütze der relativ hohe Preis vor Missbrauch. «Wenn jemand unverantwortliche Mengen Alkohol trinkt, dann greift er nicht zu einem Premium-Produkt wie dem unsrigen.»

Noch mehr Qualität
Und die Zukunft? Etter möchte weiter auf seine Stammwerte setzen und dabei noch mehr in die Produktqualität investieren. Dafür arbeitet das Unternehmen unter anderem mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen. Ausprobiert werden etwa neue Hefearten, Einmaischtechniken oder Verarbeitungsmethoden – immer mit dem Ziel, den Brand noch etwas edler zu gestalten. Auch sind einige neue Produkte in der Pipeline. So bringt Etter für den deutschen Markt demnächst einen Haselnuss-Geist heraus. Innovationen sind also durchaus Thema bei Etter, «aber ohne auszuflippen», wie Galliker-Etter sagt.

Weitere Informationen zu neuen Produkten oder Verfahren lassen sich dem Geschäftsführer in vierter Generation allerdings nicht entlocken. «Der Rest bleibt Familiengeheimnis», schmunzelt er. Besänftigt wird die Neugierde mit einer kleinen Degustation. Der Vieille Kirsch aus dem Barrique-Fass und ein festlich gewürzter Pflaumen-Likör kommen gut an – nicht nur in der Nase.

Der Artikel erschien im Magazin «Schweizer Arbeitgeber» (1/2014).
Bild: ZVG