Es gibt «gute» und «schlechte» Texte. Das haben mir die Vorbereitungen einer USA-Reise wieder einmal gezeigt. Wie das? Und wann ist ein Text «gut» geschrieben? Soviel steht fest: Das oberste Ziel beim Schreiben und Lesen ist die Verständlichkeit. Denn nur was verstanden wird, wirkt.

Meine Vorbereitungen für einen Trip in die USA haben mir einmal mehr klargemacht: «Gute» Texte sind nicht selbstverständlich. Kurz vor meiner Abreise füllte ich das sogenannte Esta-Formular aus. (Esta steht für «Electronic System for Travel Authorization» – jeder Nicht-US-Staatsbürger muss vor seiner Reise in die USA dieses Formular ausfüllen.)

Den Zweck dieser Formalität kann ich zu wenig beurteilen. Sprachlich aber ist die offizielle Esta-Website der «U.S. Customs and Border Protection» starker Tobak – vorausgesetzt, ein Mensch habe den englischen Originaltext übersetzt (was wir bei einer offiziellen Website des «U.S. Department of Homeland Security» erwarten dürfen).

Am Ende der Prozedur musste ich mein Recht abgeben, eine allfällige Abweisung an der US-amerikanischen Grenze anzufechten. Oder andersrum: Wenn ein US-Zollbeamter mich nicht einreisen lassen will, so muss ich das akzeptieren. Punkt.

Auf der Esta-Website liest sich das so:Wie jetzt? Genau – so ging es mir auch. Sollten Sie den Text zweimal, eventuell sogar mehrmals gelesen haben, bevor Sie ihn verstanden: Es liegt nicht an Ihrer Sprachkompetenz. Vielmehr handelt es sich um schlecht verfasstes, noch dazu juristisches Geschwurbel. Eine sprachliche und in diesem Kontext auch kommunikative Zumutung. Ein «schlechter» Text. (Übrigens: Haben Sie den Kommafehler im zweiten Paragrafen entdeckt? Er behindert das Textverständnis zusätzlich. Die Auflösung finden Sie am Ende dieses Beitrags.)

Immerhin veranlassten mich die beiden Absätze, mir das Gemachtsein «guter» Texte wieder einmal zu vergegenwärtigen. Wann aber ist ein Text «gut» geschrieben? Worauf kommt es an, beim «guten» Schreiben? Und weshalb sind «gute» Texte wichtig?

Verständlichkeit als oberstes Ziel
Über allem steht die Verständlichkeit. Sie ist unser Generalziel beim Schreiben und Lesen. Denn: Was nützt ein Text, wenn er nicht oder nur schwer verstanden wird? (Literarische Texte seien von diesem Anspruch ausgenommen.) Nun, verständlich zu schreiben, bedeutet leserfreundlich, logisch, präzis und attraktiv zu schreiben – und zwar auf Wort-, Satz- und Textebene. Oder in den Worten des Hamburger Verständlichkeitsmodells: Schreibe einfach, geordnet, prägnant und anregend.

Das Hamburger Verständlichkeitsmodell ist rein psychologisch determiniert – einer seiner Begründer ist Schulz von Thun (ja, der mit den vier Ohren). Gerade in sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen und also in der Kommunikation ist es deshalb eine gute Orientierungsmarke. Für Literaturwissenschaftler – und auch für Linguistinnen – geht die Qualität eines Textes allerdings über dessen Verständlichkeit hinaus.

Wie geht verständliches Schreiben nun aber konkret? Fangen wir an:

1.1 Das leserfreundliche Wort

Erläutern Sie Namen, Fachbegriffe und Abkürzungen:

  • Anna Müller, Geschäftsführerin der Schweizer AG, freute sich über die Umsatzsteigerung.
  • Der Ehepaar-Plafonds der AHV, also die AHV-Rente für Ehepaare, beträgt 150 Prozent einer Einzelrente.
  • Die Eltern-LehrerInnen-Gruppe (ELG) fördert den Austausch zwischen Eltern, Lehrerinnen und Schülern. […] Die ELG traf sich 2017 zu vier Sitzungen.

Wiederholen Sie lieber ein Wort, als dass Sie ein unklares oder verbrauchtes Synonym einsetzen:

  • «Die Post» statt «der gelbe Riese»
  • «Zürich» statt «die Limmatstadt»
  • «Papierkorb» statt «Rundordner»

Verwenden Sie Fremdwörter nur dann, wenn diese geläufiger oder griffiger sind als die deutschen Entsprechungen oder wenn es keine deutschen Entsprechungen gibt:

  • «Narkose» statt «Schmerzbetäubung» oder «Bewusstseinsbetäubung»
  • «Win-win-Situation» statt «Situation, in der beide Seiten gewinnen»
  • «Smartphone»

Vermeiden Sie Augenblickskomposita:

  • «Meldung der Arbeitsunfähigkeit» statt «Arbeitsunfähigkeitsmeldung»
  • «Beginn» statt «Inangriffnahme»
  • «Übermut» statt «Über-die-Stränge-Schlagen»

Formulieren Sie konkret, nicht abstrakt:

  • Verbal statt nominal: «leisten» statt «eine Leistung erbringen»
  • Einzelbegriffe statt Sammelbegriffe: «die Lehrer» statt «der Lehrkörper» (Anmerkung: «Gute» Texte sind nicht nur verständlich, sondern auch geschlechtergerecht. Häufig setzen wir dazu aber gerade Sammelbegriffe ein. Um einen Text sowohl geschlechtergerecht als auch leserfreundlich zu gestalten, empfiehlt es sich, zwischen maskulinen und femininen Formen abzuwechseln und/oder das Binnen-I («LeserInnen») zu verwenden.)

Formulieren Sie positiv, nicht negativ:

  • «Die Firma stellte eine Diversity-Managerin ein, da dies den Unternehmenszielen entsprach.» statt «Die Firma stellte eine Diversity-Managerin ein, da dies den Projektzielen nicht widersprach.»
  • «Ich fühle mich wohl.» statt «Ich fühle mich nicht unwohl.» (Anmerkung: Negationen können auch beabsichtigte Bedeutungsnuancen ausdrücken.)
  • Selbst einfache Negationen lassen sich positiv formulieren: «Die Katze mied den nassen Boden.» statt «Die Katze ging nicht über den nassen Boden.»

1.2 Der leserfreundliche Satz

Gliedern Sie Ihre Sätze in Subjekt, Verb, Objekt:

  • «Der Vater sieht das Kind an.» statt «Das Kind sieht der Vater an.»
  • «Das Kind sieht die Mutter an.» statt «Die Mutter sieht das Kind an.»

Heben Sie Satzklammern auf, indem Sie bedeutungstragende Verben und Verbzusätze nach vorne rücken:

  • Nicht: «An dem Anlass werden verschiedene Firmen, darunter die Pharma AG, die Vetrospect SA, die Colorado GmbH, die Franchise-Gruppe und die Goloroso AG, teilnehmen.»
  • Dafür: «An dem Anlass werden verschiedene Firmen teilnehmen, darunter die Pharma AG, die Vetrospect SA, die Colorado GmbH, die Franchise-Gruppe und die Goloroso AG.»
  • Nicht: «An dem Anlass nahmen verschiedene Firmen, darunter die Pharma AG, die Vetrospect SA, die Colorado GmbH, die Franchise-Gruppe und die Goloroso AG, teil.»
  • Dafür: «An dem Anlass nahmen verschiedene Firmen teil, darunter die Pharma AG, die Vetrospect SA, die Colorado GmbH, die Franchise-Gruppe und die Goloroso AG.»

Sprengen Sie Nominalgruppen und Klemmkonstruktionen:

  • Nicht: «Die Frist für die Stellungnahmen der interessierten Kreise zur Revision des Gesetzes über die Landwirtschaft läuft Ende Juli ab.»
  • Dafür: «Interessierte können ihre Stellungnahme zur Revision des Landwirtschaftsgesetzes bis Ende Juli einreichen.»
  • Nicht: «Das in der letzten Session vom Parlament nach eingehender Debatte angenommene Gesetz hat einen Haken.»
  • Dafür: «Das Gesetz hat einen Haken. Dennoch hat das Parlament die Vorlage in der letzten Session angenommen. Allerdings erst nach eingehender Debatte.»

Formulieren Sie aktiv, nicht passiv. Passiv-Konstruktionen wirken schwerfällig, unklar und unpersönlich:

  • Nicht: «Es wird zurzeit ein Hochwasserschutz-Projekt realisiert; dabei wird das betroffene Gewässer auch ökologisch aufgewertet.»
  • Dafür: «Unser Bauamt realisiert zurzeit ein Hochwasserschutz-Projekt. Gemeinsam mit Umweltspezialisten werten wir das betroffene Gewässer zudem ökologisch auf.»

2.1 Der logische Satz

Überlegen Sie sich, was Sie sagen wollen. Verwenden Sie dafür angemessene Verbindungen zwischen Ihren Teilsätzen (Konjunktionen). Je nach Sinnzusammenhang können Sie auf die Konjunktion verzichten – das macht Ihren Satz übersichtlich (siehe 3.2):

  • «Die Fussballspielerin fühlte sich beim Elfmeterschiessen sicher, weil sie speziell dafür trainiert hatte.» vs. «Die Fussballspielerin fühlte sich beim Elfmeterschiessen sicher. Sie hatte speziell dafür trainiert.»
  • «Der Lehrer erwartete von seinen Schülerinnen und Schülern viel, um sie optimal auf das Gymnasium vorzubereiten.» vs. «Der Lehrer erwartete von seinen Schülerinnen und Schülern viel. Er wollte sie optimal auf das Gymnasium vorbereiten.»
  • «Thomas spülte die Teller, während Maria telefonierte.» vs. «Thomas spülte die Teller. Maria telefonierte.»

Verwenden Sie eindeutige Pronomina oder wiederholen Sie ein Wort, anstatt ein missverständliches Pronomen einzusetzen:

  • Nicht: «Unter den 50 erfolgreichsten Startups befinden sich auch fünf Schweizer Firmen; sie haben mit ihren Geschäftsideen innerhalb eines Jahres je mindestens eine halbe Million Dollar umgesetzt.»
  • Falls die Schweizer Firmen gemeint sind: «Unter den 50 erfolgreichsten Startups befinden sich auch fünf Schweizer Firmen; diese haben mit ihren Geschäftsideen innerhalb eines Jahres je mindestens eine halbe Million Dollar umgesetzt.»
  • Falls die 50 erfolgreichsten Startups gemeint sind: «Unter den 50 erfolgreichsten Startups befinden sich auch fünf Schweizer Firmen; jene haben mit ihren Geschäftsideen innerhalb eines Jahres je mindestens eine halbe Million Dollar umgesetzt.»
  • Falls die Schweizer Firmen gemeint sind: «Unter den 50 erfolgreichsten Startups befinden sich auch fünf Schweizer Firmen; deren Geschäftsideen haben innerhalb eines Jahres je mindestens eine halbe Million Dollar eingebracht.»
  • Falls die 50 erfolgreichsten Startups gemeint sind: «Unter den 50 erfolgreichsten Startups befinden sich auch fünf Schweizer Firmen; ihre Geschäftsideen haben innerhalb eines Jahres je mindestens eine halbe Million Dollar eingebracht.»
  • Nicht: «Moritz und sein bester Freund sind beide technikbegeistert; trotzdem studiert er nun Wirtschaftswissenschaften.»
  • Dafür: «Moritz und sein bester Freund sind beide technikbegeistert; trotzdem studiert Moritz nun Wirtschaftswissenschaften.»

2.2 Der logische Text

Setzen Sie die grammatischen Zeiten richtig und stringent ein:

  • Präsens (ich bin) für Gegenwärtiges
  • Perfekt (ich bin gewesen) für Vor-Gegenwärtiges
  • Präteritum (ich war) für Vergangenes
  • Plusquamperfekt (ich war gewesen) für Vor-Vergangenes
  • Futur I (ich werde sein) für Zukünftiges
  • Futur II (ich werde gewesen sein) für Abgeschlossenes in der Zukunft
  • Als Faustregel gilt: Kombinieren Sie das Präsens mit dem Präsens und/oder dem Perfekt, das Präteritum mit dem Präteritum und/oder dem Plusquamperfekt.

Und: Vermeiden Sie Gedankensprünge – liefern Sie lückenlose Information.

3.1 Das präzise Wort

Setzen Sie Modalverben nur dann ein, wenn Sie wirklich einen Modus bestimmen müssen (wie in diesem Satz):

  • «Ich kann lesen und schreiben.»
  • «Erik wollte schon immer einmal das Matterhorn besteigen.»
  • «Das Kind durfte sich nicht rühren, die Mutter wäre sonst unwirsch geworden.»

Verzichten Sie ansonsten auf Modalverben:

  • «Das Unternehmen steigerte seinen Umsatz um 20 Prozent.» statt «Das Unternehmen konnte seinen Umsatz um 20 Prozent steigern.»
  • «Das Parlament erhöht mit dem neuen Gesetz die Energiesouveränität.» statt «Das Parlament will mit dem neuen Gesetz die Energiesouveränität erhöhen.»
  • «Nach abgeschlossener Lehre arbeitete ich drei weitere Jahre für das Unternehmen.» statt «Nach abgeschlossener Lehre durfte ich drei weitere Jahre für das Unternehmen arbeiten.»

Verzichten Sie auf Modalpartikeln wie «eigentlich», «wohl», «(nicht) unbedingt», «sicherlich».

Vermeiden Sie Allerweltswörter wie «Bereich», «Aspekt», «Lösung», «Massnahme».

Verwenden Sie Superlative nur, wenn etwas tatsächlich über allem anderen steht:

  • Von ihren drei Schwestern war Hanna die grösste.
  • An seiner Schule ist Florian in Französisch der beste.
  • Usain Bolt ist der schnellste Mann der Welt.

Formulieren Sie positiv, nicht negativ:

  • «Die Firma stellte eine Diversity-Managerin ein, da dies den Unternehmenszielen entsprach.» statt «Die Firma stellte eine Diversity-Managerin ein, da dies den Projektzielen nicht widersprach.»
  • «Ich fühle mich wohl.» statt «Ich fühle mich nicht unwohl.» (Anmerkung: Negationen können auch beabsichtigte Bedeutungsnuancen ausdrücken.)
  • Selbst einfache Negationen lassen sich positiv formulieren: «Die Katze mied den nassen Boden.» statt «Die Katze ging nicht über den nassen Boden.»

Verwenden Sie treffende und platzsparende Wörter.

3.2 Der präzise Satz

Heben Sie Redundanzen auf:

  • «Patienten» statt «kranke Patienten»
  • «Möglichkeiten» statt «potenzielle Möglichkeiten»
  • «Ist es möglich, dass ich vorbekomme?» statt «Ist es möglich, dass ich vorbekommen kann?»

Streichen Sie attributive Adjektive – ausser sie sorgen für einen Bedeutungsunterschied:

  • «Sie trug das rote Kleid, das blaue war in der Reinigung.»
  • «Alte Menschen sind statistisch gesehen vergesslicher als junge»
  • «In seinem Startjahr erzielte das Unternehmen bereits einen hohen Umsatz.»

Bilden Sie überschaubare Sätze. Faustregel: maximal ein Nebensatz, maximal 25 Wörter pro Satz.

3.3 Der präzise Text

Stellen Sie das Wichtige vor das Unwichtige – im Satz, im Absatz und im Text.

Formulieren Sie Hauptsächliches in Hauptsätzen.

Vermeiden Sie Wiederholungen. Es sei denn, sie seien für das Textverständnis nötig – oder Sie arbeiten in der Kommunikation. ;-)

Verzichten Sie auf überflüssige Einschübe oder Nachsätze.

4 Attraktive Wörter, Sätze, Texte

Wiederholen Sie Wörter nur kontrolliert, in Fällen wie oben beschrieben.

Wiederholen Sie keine einzelnen Wortelemente («-keit», «-heit», «-bar»), Silben («Das Zitat ist in der Tat bekannt.») oder Wortkomponenten («Verständliche Texte sind nicht selbstverständlich.»).

Variieren Sie die Wortstellung und die Satzlängen – bleiben Sie dabei aber leserfreundlich und präzis.

Verpacken Sie Bekanntes neu. Erzeugen Sie Widersprüche. Stellen Sie Fragen. Provozieren Sie. Sprechen Sie die Lebenswelt Ihrer LeserInnen an.

Schreiben Sie leserfreundlich, logisch und präzis. Schreiben Sie für Ihre LeserInnen. Wem sich ein Text verschliesst, der findet darin nichts. Wer einen Text hingegen versteht, findet diesen attraktiv. Und was attraktiv ist, wirkt. Das bringt beiden etwas: Autorin und Leserin.

Buchempfehlungen
Wer es ausführlicher mag, dem empfehle ich Ivo Hajnals und Franco Items «Schreiben und Redigieren – auf den Punkt gebracht» (Huber-Verlag) oder «Sich verständlich ausdrücken» von Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch (Reinhardt-Verlag).

Ach ja, der Kommafehler… Ich entdeckte sogar deren vier in den beiden Paragrafen:Drei sind relativ unproblematisch, da sie zweimal vor einer Konjunktion gesetzt wurden («sowie», «wie») und einmal nach einer Adverbialphrase am Satzanfang («Zusätzlich zu der obigen Verzichtserklärung…»).

Der vierte Kommafehler aber hat es in sich. Er zerschneidet den Dass-Nebensatz derart blöd, dass der ohnehin schon schwer zugängliche Satz noch unverständlicher wird. Korrekt und kompakt hiesse es: «…dass die Überlassung von biometrischen Identifizierungsdaten während der Abfertigung bei der Ankunft in den Vereinigten Staaten meinen Verzicht auf das Recht auf Überprüfung bzw. Berufung gegen den gefällten Entscheid zusätzlich bekräftigt.» So.